Stadionverbote

Kaum eine Maßnahme gegen Fans ist so einschneidend wie die Verhängung eines Stadionverbots. Von vielen Fanorganisationen wird nicht nur grundsätzlich angezweifelt, dass Stadionverbote ein geeignetes Mittel zur Schaffung von mehr Sicherheit bei Fußballspielen sind. Die momentane Praxis bei Stadionverboten ist in vielerlei Hinsicht auch rechtsstaatlich bedenklich.

Das Stadionverbot ist ein rein privatrechtliches Hausverbot, das von den Vereinen ausgesprochen wird. Es hat das Ziel zukünftige Störungen im Stadion zu verhindern. Die Vereine bzw. Stadionbetreiber haben die Verpflichtung, die Sicherheit der Sportveranstaltung und der Zuschauer zu gewährleisten. Nach den Richtlinien des DFB sollen Stadionverbote bundesweit ausgesprochen werden. Hierzu haben sich die Vereine gegenseitig bevollmächtigt.

Nach den Richtlinien des DFB soll jedoch alleine die Tatsache der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Polizei für ein bundesweites Stadionverbot genügen, ohne weitere Prüfung des Sachverhalts und Würdigung der Person. Dies führt dazu, dass faktisch die Polizei die Entscheidung trifft, gegen wen ein Stadionverbot verhängt wird, indem sie ein Ermittlungsverfahren einleitet und ein Stadionverbot bei den Vereinen „beantragt“, was diese dann allein aufgrund der Auskunft der Polizei erteilen.

Für die entscheidende Frage, ob von einer bestimmten Person in Zukunft Störungen des Stadionbetriebs zu erwarten sind, ist jedoch die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens kein alleine aussagekräftiges Indiz. Denn entscheidend ist nicht die Bewertung oder „Bestrafung“ vergangenen Verhaltens, sondern die Prognose zukünftigen Verhaltens. Und es müssten Störungen des Stadionbetriebes an sich zu befürchten sein. Die Gefahr von Störungen außerhalb des Stadions ist nicht eine Frage des Hausrechts sondern des Polizeirechts. Freilich wird vergangenes Verhalten als Indiz für die Prognose zukünftigen Verhaltens heranzuziehen sein, aber keinesfalls alleine. Die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens als entscheidendes und alleiniges Indiz für die Prognose zukünftigen Verhaltens heranzuziehen, stellt eine völlig unverhältnismäßige Vereinfachung dar. Dadurch werden nicht nur sämtliche andere relevante Kriterien, wie z.B. die Persönlichkeit des Betroffenen und sein sonstiges Verhalten in der Vergangenheit, völlig außer Acht gelassen, sondern die Entscheidung über ein Stadionverbot wird alleine in die Hand der Polizei gegeben.

Dass diese Praxis unverhältnismäßig ist, wird umso mehr klar, wenn man bedenkt, dass die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zunächst einmal systematisch nichts weiter als die Vermutung eines Verdachts ist.

Der BGH hat mit Urteil vom 30.10.2009 in einem Fall entschiedenen, dass bereits die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Polizei dafür genügen soll, dass der Verein ein mehrjähriges bundesweites Stadionverbot verhängen kann, ohne dass ein erhärteter und durch Tatsachen belegter Verdacht gefordert wird. Selbst wenn das Verfahren später eingestellt wird, gelte der Betroffene als „potentieller Störer“ und müsse selbst beweisen, dass er in keiner Weise an Störungen beteiligt war. Der klagende Fan, der seit Jahren Dauerkartenbesitzer und Vereinsmitglied war und sich noch nie etwas zu Schulden kommen ließ, erhielt ein bundesweites Stadionverbot, weil gegen sämtliche auf einem Stadionvorplatz befindlichen Personen Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruch eingeleitet wurden, obwohl er nachweislich überhaupt nichts weiter getan hat, als mit anderen nach dem Spiel zur S-Bahn zu laufen. Der Fan hat gegen das Urteil Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt, über die noch nicht entschieden wurde.

Die Arbeitsgemeinschaft Fananwälte hält diese teilweise noch vollzogene Praxis für rechtswidrig. Die faktische Entscheidungsmacht der Polizei bei der Verhängung von Stadionverboten stellt eine bewusste Umgehung der strengeren Voraussetzungen der Polizeiaufgabengesetze dar. Ein Stadionverbot sollte nur ausgesprochen werden, wenn vorher eine sorgfältige Prüfung aller für die Prognose zukünftigen Verhaltens relevanter Umstände stattgefunden hat. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass ein Stadionverbot nicht unverhältnismäßig sein darf.