Verbandsstrafen

Weitergabevon Verbandsstrafen (DFB/UEFA) an Fußballfans

Jeder Fan solltedarüber nachdenken, dass er unter bestimmten Umständen auch von dem geliebten Verein (oder einem anderen Verein) für Geldstrafen der Verbände in Regress genommen werden kann, die wegen Fehlverhaltens von Zuschauern gegen Vereine ausgesprochen werden. Sollte ein Vereinauf die Idee kommen, die gegen ihn ausgesprochenen Verbands-Geldstrafen bei dem einzelnen Fan wieder zu holen, könnte dies zu erheblichen finanziellen Belastungen des einzelnen Stadionbesuchers führen, wenn man bedenkt, dass der DFB sehr schnell auch Geldstrafen im fünf- bzw. sechsstelligen Bereich verhängt.

Verbandsstrafen
Die Fußball-Verbände und auch der DFB können gegenüber Vereinen im Rahmen der Sportgerichtsbarkeit Strafen (Geldstrafen, Punktabzüge, Platzsperre etc.) aussprechen, wenn es bestimmte Ereignisse in den Stadien gibt, wie beispielsweise das Abbrennen von Feuerwerkskörpern, das Werfen von Gegenständen auf das Spielfeld oder die sog. „Flitzer-Problematik“. Bei Verbandstrafen handelt es sich nicht um Strafen im Sinne des staatlichen Strafrechts, und auch nicht um Vertragsstrafen. Die Verbände (z.B. UEFA, DFB) können nach ihren Satzungen bestrafen, weil sich die jeweiligen Mitglieder (also Klubs) den Satzungen unterworfen haben. Geregelt ist dies beim DFB in der Rechts- und Verfahrensordnung (RuVO), bei der UEFA in der UEFA-Rechtspflegeordnung (RPO).

Verschuldensunabhängige Haftung der Vereine
Die Vereine werden von DFB und UEFA für das Verhalten ihrer Fans haftbar gemacht und müssen teilweise hohe Verbandsstrafen zahlen, selbst wenn – wie meist – gar kein tatsächlicher Schaden entstanden ist. Dabei ist es gar nicht erforderlich, den Vereinen ein Verschulden – etwa weil sie angeblich zu lasch kontrolliert haben – nachzuweisen. Die Vereine werden verschuldensunabhängig bestraft. Dies widerspricht zwar dem Schuldprinzip und elementaren Grundsätzen des deutschen Rechts. Aber zumindest der internationale Sportgerichtshof CAS hat daran nichts auszusetzen
(vgl. CAS-Schiedsspruch v. 20.04.2007, CAS 2007/A/1217 –Feyenoord Rotterdam v/ UEFA). Allerdings wird diese „Bestrafung ohne Schuld“ in der juristischen Fachliteratur – zu Recht – kritisiert (vgl. Orth, Gefährdungshaftung für Anhänger?, SpuRt2009, 10-13), weil eine verschuldensunabhängige Haftung systemwidrig ist.

Rechtsprechung in Deutschland
Eher am Randeund im Stillen hat sich in Deutschland bereits seit 2006 eine Rechtssprechung entwickelt, die im Wesentlichen den Vereinen ein Mittel an die Hand gibt, nach der sie – bei entsprechender Verurteilung durch die Fußball-Verbände – in der Lage sind, sich die entsprechenden Geldstrafen bei den Fans wieder zu holen. Das OLG Rostock hatte am 28.04.2006 (Az. 3 U 106/05) entschieden, dass der vom Sportgericht bestrafte Verein störende Zuschauer auf Ersatz von gezahlten Geldstrafen in Anspruch nehmen kann.

Bei mehreren Schädigern muss jeder aber nur anteilig haften. Wird z.B. eine Verbandsstrafe von 15.000 Euro für das Abbrennen von 30 verschiedenen Bengalos verhängt, dann kann ein Einzelner nur auf den anteiligen Betrag von 500 Euro (also 1/30) verklagt werden. Auch das LG Karlsruhe hat dies in der mündlichen Verhandlung in einemaktuellen Fall (Urteil v. 29.05.2012, Az.: 8 O 78/12) noch einmal ausdrücklich klargestellt.

Die Vereine gehen aber teilweise über diese Regel hinaus und verklagen teilweise einzelne Fans in Höhe der gesamten Verbandsstrafe, obwohl sich diese nachweislich aus mehreren verschiedenen Anlässen zusammensetzt. Derartig hohe Klagesummen stellen eine Existenzgefährdung für manchen Betroffenen dar und stehen nicht im Einklang mit der Rechtsprechung in Deutschland.

Rechtsprechung in anderen Ländern
In Österreichhat das Landesgericht Wien einen Regressanspruch gegen Zuschauer für Verbandsstrafen grundsätzlich abgelehnt (Urteil vom 25.01.2011,Az.:34 R 163/10p). Das Urteil setzt sich dabei auch mit dem Urteildes OLG Rostock auseinander und lehnt dieses ab („..nichtüberzeugend…“, S.6 d.U.). Zur Begründung führt das Gericht aus, Verbandsstrafen würden nicht den Ersatz pauschalierter Schäden, sondern die Einhaltung entsprechender Sicherheitsvorkehrungen für künftige Spiele bezwecken.
Die Rechtsprechung in den europäischen Ländern ist diesbezüglich also sehr unterschiedlich. Deutschland hat diesbezüglich eine der härtesten Rechtsprechungen.

Kritik
Die Weitergabe von Verbandsstrafen an Zuschauer ist rechtlich höchst fragwürdig und daher zu kritisieren. Ziel der Verbandsstrafe ist es eigentlich, den Verein zu bestrafen und nicht die Fans. Vor einigen Jahren galt es sogar noch als strafbar, die Geldstrafe eines anderen zu bezahlen. Außerdem wird mit der Verbandsstrafe quasi ein Schaden kreiert, obwohl tatsächlich gar kein Schaden eingetreten ist.

Geltung der Verbandsstrafen für Private?
Ein weiteres Problem liegt in dem besonderen Verfahren bei Verbandsstrafen. Der einzelne Stadionbesucher hat keinerlei Akteneinsichts- oder Einspruchsrechte. Der betroffene Verein wird meist keine Motivation haben, gegen etwaige Strafen Einspruch einzulegen, wenn er ohnehin in voller Höhe Regress nehmen könnte. Im Übrigen ist dasVerbandsverfahren etwas sehr eigenes. Die strafrechtlichen Verfahrensgarantien finden keine Anwendung. Die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels sind meist nicht sehr hoch. Größtenteils werden daher von den Vereinen Strafen akzeptiert und nicht mit Rechtsmittel angegriffen. Unter Umständen liegt darin ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht der Vereine. Das kann zu einer Minde rungder Regressansprüche führen.

Aufgrund dieser Besonderheit des Verbandsverfahrens ist es zweifelhaft, ob das sportgerichtliche Urteil – also die Höhe der Geldstrafe – gegenüber dem Zuschauer überhaupt gelten kann, zumal dieser keinerlei Mitwirkungsrechte und nicht einmal ein Akteneinsichtsrecht hat.

Nach unserer Einschätzung setzt sich diese Rechtsprechung – zumindest in den Instanzengerichten – fort, sodass für jeden einzelnen Fan eine nichtunerhebliche Gefahr besteht, dass neben etwaigen weiteren Sanktionen wie Stadionverbot und die Eintragung in die „Datei Gewalttäter Sport“ auch umfangreiche Haftungsansprüche drohen. Allerdings wurden die genannten Rechtsfragen auch in Deutschland noch nicht höchstrichterlich vom Bundesgerichtshof entschieden.

Wir können nur jedem raten, sich im Falle der Inanspruchnahme durch einen Verein anwaltlich beraten zu lassen.

(31.05.2012)