Kammergericht hebt Eintragung einer Freiheitsstrafe aus Spanien auf

Das Kammergericht Berlin hat am 27. Mai 2020 einer Klage auf Löschung der Eintragung einer von einem spanischen Gericht gegen einen BVB-Fan verhängten Freiheitsstrafe stattgegeben. Vorausgegangen war ein fast 10 Jahren andauernder Rechtsstreit um ein Urteil, das nach dem Fußballspiel des BVB am 15.12.2010 in Sevilla erging. Darin war der Dortmunder Fan zusammen mit 14 weiteren BVB-Anhängern zu einer Geldstrafe sowie einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten auf Bewährung verurteilt worden, weil er einen Polizeibeamten angegriffen haben soll. Er selbst bestreitet dies.

Die Verfahrensbevollmächtigten, Rechtsanwalt Marco Noli und Rechtsanwalt Professor Dr. Feltes, erklären hierzu:

„Als der Betroffene 2011 bemerkte, dass das Urteil im deutschen Bundeszentralregister eingetragen worden war, hatten wir in seinem Namen zuerst beim Bundesamt für Justiz, dann beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und schließlich 2012 beim Kammergericht Berlin die Löschung beantragt, weil wesentliche Verfahrensgarantien während des Schnellverfahrens in Sevilla nicht eingehalten worden waren. Dabei ging es u.a. darum, dass ihm kein Dolmetscher und kein rechtlicher Beistand gewährt wurden. Zudem waren die Angeklagten bei der Verhandlung in Sevilla nicht selbst anwesend, sondern waren stattdessen in der Zelle eingesperrt. Der Tatvorwurf wurde ihnen nicht bekannt gemacht und sie wurden nicht dazu angehört.

Nachdem das Kammergericht die Löschung 2012 in einer ersten Entscheidung abgelehnt hatte, hatten wir für den Kläger Verfassungsbeschwerde eingelegt. Im Januar 2017 hob das Bundesverfassungsgericht das Urteil des Kammergerichts Berlin auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung dorthin zurück. Jetzt hat das Kammergericht entschieden, dass dem Antragsteller kein rechtliches Gehör gewährt worden war, weil zweifelhaft ist, ob ein Dolmetscher zur Verfügung stand. Zudem waren die Angeklagten bei der Verhandlung in Sevilla nicht anwesend, so dass das Urteil auch aus diesem Grund gegen grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien verstößt.

Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass im vorliegenden Fall die Vermutung, dass grundsätzlich von der Richtigkeit von Strafurteilen europäischer Mitgliedsstaaten ausgegangen werden kann, erschüttert ist. Daher war die Eintragung dieser Entscheidung aus Spanien in das deutsche Zentralregister unzulässig. Es sei anzunehmen, „dass die Durchführung des konkreten Strafverfahrens der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung – Gewährung von rechtlichem Gehör – widersprochen hat“.

Das Urteil bestätigt nicht nur den jahrelangen Kampf für eine rechtsstaatliche Behandlung deutscher Fußballfans auch und besonders im Ausland; es ist zudem ein herber Schlag in das Gesicht der spanischen Justiz, die seit vielen Jahren von Juristen kritisiert wird, wenn es um den Schutz der Verfahrensrechte von Angeklagten geht.“